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von Christiane Malert
Herr Sorgeç, Sie sind der Geschäftsführer des BildungsWerk in Kreuzberg und haben daher mit jugendlichen Migrant/innen berufsmäßig Kontakt.
Nicht nur berufsmäßig. Ich bin einer von ihnen, denn auch ich habe den gleichen Migrationshintergrund und nicht nur das, sondern auch ich komme aus der Unterschicht.
Aber Sie haben es geschafft zu studieren…
Ich kam 1972 als 14-jähriger nach Berlin und hatte zuvor acht Jahre in der Türkei in der Nähe der syrischen Grenze eine gute Schule besucht. Meinem Vater war Schulbildung wichtig. Ich muss Folgendes vorausschicken: Das Gebiet an der syrischen Grenze wurde erst 1939 der Türkei zugeschlagen. Zuvor stand es unter französischer Verwaltung. Mein Vater wurde 1930 geboren, sprach Arabisch, lernte im Alter von neun Jahren Türkisch und erst während des türkischen Militärdienstes Lesen und Schreiben. Meine Mutter gehört ebenfalls der arabischsprachigen Minderheit in der Türkei an. Aufgrund verschiedener Umstände entschieden sich meine Eltern zur Arbeitsmigration nach Berlin. Mein Vater war einfacher Arbeiter bei Siemens. Eines Tages nahm er mich mit an seinen Arbeitsplatz und sagte mir: "Wenn du nichts lernst, wirst auch du an solch einem Arbeitsplatz arbeiten müssen."
Gut, aber wie ging es weiter?
Ich ging damals in eine so genannte Ausländerklasse. Das Abgangszeugnis liegt hier auf dem Tisch…
Alles Einsen und Zweien… Nur zwei Fehltage, aber auch die Zusätze: Kann mit den üblichen Schulbenotungen verglichen werden.
Wie Sie schon erkannt haben, ist das Zeugnis für eine Berufsausbildung eigentlich wertlos. Ich habe mir gesagt: "Junge, du musst Deutsch lernen." Ich bin also in die Bibliothek gegangen und habe zunächst Kinderbücher ausgeliehen und gelesen, habe mich dann eine Zeit später mit Büchern für 14-16-jährige befassen können. Innerhalb eines Jahres habe ich Deutsch gekonnt.
Ich habe gehört, Sie haben bei Siemens eine Berufsausbildung absolviert. Wie haben Sie das geschafft?
Mein Mathematiklehrer sah eine Begabung für Mathematik und meinte, ich solle eine technische Berufsausbildung machen. Er half mir, Bewerbungen zu schreiben. Ich wurde zu drei Tests eingeladen und schaffte alle drei Prüfungen. Dann fing ich bei Siemens an.
Was integriert am besten?
Ausbildung. Nur mit einer Ausbildung gelingt es einem Migranten, akzeptiert zu werden und auf gleicher Augenhöhe mit der Mehrheitsgesellschaft zu kommunizieren. Nur wenn er akzeptiert wird, kann er sich in die Gesellschaft einbringen. BILDUNG IST DIE TÜR ZUR INTEGRATION.
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