AKTUELLES
Auswirkungen des neuen Zuwanderungsgesetzes
von Christiane Malert
Über die Auswirkungen des neuen Zuwanderungsgesetzes berichte der SPD
Bundestagsabgeordnete Eckhardt Barthel am 3. November in den Räumen der
Türkischen Sozialdemokraten.
Barthel, der maßgeblich den Entwurf mitgestaltet hat, stellte nun das
verabschiedete Gesetz vor und machte gleichzeitig deutlich, welche Punkte nicht
– und warum nicht – realisiert werden konnten.
- Die geregelte Zuwanderung, gestaffelt nach Berufen usw. konnte aufgrund
der CDU/CSU-Einwände nicht realisiert werden. Dabei praktiziere die CSU in
Bayern gerade die gesteuerte Arbeitsmigration – wenn auch durch die
Hintertür des alten Gesetzes. Haushaltshilfen und angelernte Pflegekräfte
werden quasi aus den angrenzenden Ländern angeworben, da deutsche und
rechtmäßig in Bayern lebende Migrant/innen für diese Arbeitsplätze nicht
zur Verfügung stehen.
- Ein weiterer Punkt war der Kindernachzug. Hier schwankten die
Vorstellungen zwischen einem Nachzugsalter von bis zu 8 Jahren bzw. bis zum
Erreichen der Volljährigkeit. Man einigte sich glücklicherweise auf das
Alter bis zu 16 Jahren und die Kann-Bestimmung: Wenn es das Kindeswohl
erfordere, wäre ein Nachzug bis knapp vor Erreichen der Volljährigkeit möglich.
Doch letztere Möglichkeit scheine nur theoretisch möglich zu sein, so
Barthel.
4 Säulen des Zuwanderungsgesetzes:
- Es gibt nur noch zwei Aufenthaltstitel: die befristete «Aufenthaltserlaubnis»
und nach fünf Jahren die "Niederlassungserlaubnis". Diese
Regelungen beschreiben die erste von vier Säulen des Zuwanderungsgesetzes.
- Der Bereich Integration beschreibt die zweite Säule - und wie
Barthel meint, nun die wichtigste Säule: Es geht hier um die verbindlich
vorgeschriebene Teilnahme an Integrationskursen, die über die reine
Sprachvermittlung hinausgehen. Barthel meint, es wäre besser,
Teilnahmeanreize zu schaffen als Sanktionen zu verhängen, wenn die Angebote
nicht wahrgenommen werden, doch nannte er auch die Sanktionsmöglichkeiten:
Wenn ein/e Verweigerer/in, auch Familiennachzugsberechtigte, die Teilnahme
am Integrationskurs nicht wahrnehme, so werde ihm bzw. ihr, falls
Transferleistungen wie Sozialhilfe bezogen werden, Leistungen gekürzt
ebenso wird die Aufenthaltsverfestigung aufs Spiel gesetzt. Eine
Niederlassungserlaubnis könne auch dann, auch wenn keine Transferleistungen
bezogen werden, verweigert werden. Nach Meinung der Autorin sind die Ehemänner
nun in der Pflicht, ihre Frauen zu den Integrationskursen zu schicken.
Barthel berichtete auch von Fällen, in denen Ehemänner ihre Ehefrauen
davon abhielten, sich allein außerhalb der Wohnung aufzuhalten, also auch
Sprachkurse nicht wahrnehmen zu können. Er nannte zwar keine Nationalität,
doch reagierten einige im Raum nonverbal. Die Botschaft war wohl angekommen.
- Der humanitäre Bereich bildet die dritte Säule. Es geht hier um
nicht-staatliche Verfolgung und die geschlechtsspezifische Verfolgung. Die
geschlechtsspezifische Verfolgung umschrieb Barthel mit der Androhung der
weiblichen Genitalverstümmelung. Die nicht-staatliche Verfolgung wurde
nicht weiter ausgeführt, doch ist wahrscheinlich davon auszugehen, wenn
ethnische Minder- oder Mehrheiten sich gegenseitig bedrohen und von Völkermord
gesprochen werden kann. In diesen Fällen konnte schon bislang das so
genannte kleine Asyl ausgesprochen werden, jedoch um den Preis, dass diese
Flüchtlinge nicht arbeiten durften. Nun soll diese Personengruppe den
anerkannten Asylbewerber/innen – also denjenigen, die als staatlich
verfolgt anerkannt sind – gleichgestellt werden. Nach Meinung der Autorin
ist dies ein wichtiger Punkt.
Die Autorin leitet aus dem Vortrag folgendes ab: Ungeklärt ist nach wie vor
das Schicksal der Flüchtlinge aus Palästina. In Berlin leben 26.000 Flüchtlinge,
mehrheitlich staatenlos, für die auch das neue Zuwanderungsgesetz nicht
greift. Ebenso ungeklärt ist die Situation schwuler und lesbischer Flüchtlinge.
Im Fall Türkei scheint eine staatliche Verfolgung von Lesben und Schwulen
nicht zu bestehen, doch ist in konservativ geprägten Gebieten der Türkei
eine nicht-staatliche Verfolgung denkbar. Aber wie sieht das Schicksal eines
Schwulen in Syrien oder anderen muslimischen Staaten aus? Wäre hier nicht
die Annahme einer geschlechtsspezifischen in der Ausprägung einer sexuell
orientierten Verfolgung und somit Anerkennung des Flüchtlings aus humanitären
Gründen denkbar?
- Die vierte Säule, den Sicherheitsbereich, der auf Wunsch der
CDU/CSU hinzugefügt wurde, sprach Barthel nicht weiter an.
Abschließend gab es noch etwas Grundsätzliches zur zweiten Säule, dem
Integrationsbereich. So genannte «Bestandsausländer», so wie sie im
Beamtendeutsch heißen, könnten, falls Plätze in den Integrationskursen frei
sind, diese Plätze einnehmen und so noch an den Integrationskursen profitieren.
Die Teilnahme könne auf freiwilliger Basis geschehen, ebenso denkbar ist jedoch
auch eine Zuweisung, wenn erhebliche Defizite im täglichen Leben
zurechtzukommen, festgestellt werden. Eine Kostenbeteiligung der
Teilnehmer/innen sei, wenn dieses aufgrund des Familieneinkommens möglich ist,
ebenso möglich.
Barthel brachte zum Ausdruck, ihm und seinen Kolleg/innen inner- und außerhalb
der SPD sei es lieber, das Gesetz so, wenn auch mit Abstrichen, durchgebracht zu
haben, als gar nicht.
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